KI erzeugt Extreme – Top 10 oder Flop 10

Spannend: KI-Ads schneiden nicht pauschal besser oder schlechter ab, sondern polarisieren.
Laut LINK-Impact-Scores landen 15 % der KI-Ads im Top-10 % der effektivsten Kampagnen – aber 13 % auch im unteren Zehntel. GenAI verstärkt Extreme: Sie ermöglicht spektakuläre Ideen, birgt aber ebenso Risiken für Markenbindung und Authentizität.

Im Durchschnitt liegen KI-Spots 13 Prozentpunkte unter klassischen Ads bei der Markenbindung (Branding Score). Der Spaßfaktor (Enjoyment) bleibt nahezu identisch, was zeigt: KI kann unterhalten, aber sie verankert Marken weniger zuverlässig.

Emotionen ja – aber oft negativ

Affectiva, spezialisiert auf KI-basiertes Facial Coding, analysierte die Gesichtsausdrücke der Zuschauer:innen frame-genau.
Das Ergebnis: KI-Spots lösen mehr Emotionen aus, aber diese sind häufiger negativ konnotiert. Statt Lächeln dominieren Stirnrunzeln, verwirrte Blicke oder Abwehrsignale. Das Phänomen: Viele reagieren auf das „Fast-Echte“ mit Unbehagen – das bekannte Uncanny-Valley-Syndrom.

Die Analyse zeigt auch: Je sichtbarer die KI, desto schlechter die Wirkung. „Unsichtbare“ KI – also Ads, bei denen Zuschauer:innen gar nicht erkennen, dass GenAI im Einsatz war – performen messbar besser in Enjoyment und Markenbindung.

Beispiele aus der Studie

1. Allegro (Polen)
Zwei Varianten desselben Skripts wurden getestet: einmal mit fotorealistischen KI-Gesichtern, einmal im grafischen Stil.
Ergebnis: Der realistische Spot landete im unteren 20 %-Perzentil für Markenwirkung, der stilisierte hingegen in den Top 25 %. Grund: Echte Gesichter aus der Maschine erzeugten Unbehagen – das Cartoon-Design wirkte ehrlicher und sympathischer.

2. „Pepperoni Hug Spot“
Ein viraler KI-Pizza-Ad sorgte 2024 für Lacher – allerdings unfreiwillig. Affectiva’s Mimik-Tracking zeigte: Viele Zuschauer:innen lachten über die KI, nicht mit ihr. Peaks in „Nasenrümpfen“ und „Lidverengung“ signalisierten Ekel statt Freude.

3. „Visit Denmark“
Ganz anders das Paradebeispiel aus Skandinavien: Hier schrieb KI das Skript, während Menschen Regie führten. Nur die sprechenden Gemälde waren synthetisch. Das Ergebnis: hohes positives Engagement, unabhängig davon, ob Zuschauer:innen den KI-Einsatz bemerkten oder nicht. Die Mischung aus menschlicher Idee und KI-Handwerk überzeugte.

Faszination vs. Verwirrung – was Konsument:innen wirklich stört

Die Studie benennt drei Hauptursachen für schlechte Performance:

  1. Visuelle Verwirrung – KI-Generationen erzeugen teils schwer unterscheidbare Gesichter (z. B. Mutter / Tochter / Großmutter gleich alt). Das Publikum braucht Orientierung – sonst entsteht kognitive Dissonanz.
  2. „Laughing at, not with“ – Humor kippt, wenn KI unbeabsichtigt lächerlich wirkt.
  3. Blandness – Wenn KI komplett übernimmt, entsteht Mittelmaß. Der Toys “R” Us-Ad zeigte fast keine emotionalen Reaktionen außer beim bekannten Giraffen-Maskottchen – KI füllte, aber berührte nicht.

Fünf Prinzipien für Marken, die KI ernst nehmen

  1. Strategie vor Technik: Jede Kampagne braucht eine emotionale und markenbezogene Leitidee.
  2. Marken-DNA integrieren: Farbwelten, Codes und Werte müssen im Prompting verankert sein.
  3. Human in the Loop: KI braucht Führung – von der Idee bis zur Ausspielung.
  4. Emotional testen: Nicht nur Klicks, sondern Mimik, Herzfrequenz, und Empathieindikatoren zählen.
  5. Stil schlägt Realismus: Grafik- oder Mischstile performen klar besser als pseudo-reale Menschen.

KI macht Werbung nicht besser – aber bewusster

Die Studie zeigt, wie sensibel das Gleichgewicht zwischen Technologie, Emotion und Marke ist.
KI kann Produktionen beschleunigen, kreative Vielfalt fördern und Ideen zugänglich machen. Doch sie ersetzt keine Strategie – und keine Intuition.
„AI-Ads, die wirken, entstehen dort, wo Menschen das Warum definieren und Maschinen das Wie umsetzen“, schreiben die Autor:innen der Studie.

In unserer täglichen Arbeit bei den AI Pirates sehen wir genau das bestätigt: Technische Exzellenz ist nur die halbe Miete.
Eine KI kann inzwischen ganze Werbespots generieren, Kamerafahrten planen und Gesichter stabil halten – aber sie weiß nicht, warum etwas berührt.
Wir nutzen KI als Co-Kreativpartner, nicht als Ersatz. Die Emotion, die Haltung, die Strategie – das bleibt menschlich.
Denn nur wer zuerst definiert, was er fühlen lassen will, kann KI sinnvoll führen.

Mut, Kompetenz und Leadership-Qualitäten: Das zeichnet die W&V Top 100 aus. >>> Hier findest Du alle W&V Top 100/2025: Menschen, die was bewegen.


Autor: Max Anzile

Maximilian Anzile ist CEO von Pirates World, einer Agenturgruppe mit inzwischen über 50 Köpfen und noch mehr Ideen. Unter dem Dach segeln die Social Media Pirates (Owned & Content), Black Flag Agency (Media Lab ) und die AI Pirates (KI-getriebene Content-Produktion). Parallel baut er mit New Minds ein Beratungs- und Podcast-Format, das C-Level-Transformation und Künstliche Intelligenz nicht trocken, sondern mit Haltung und Popkulturgefühl diskutiert.

Sein Spielfeld: die Schnittmenge von Social Media, Technologie und Kreativität – dort, wo neue Agentur- und Medienmodelle entstehen.

Abseits vom Business: Basketballer mit Trash-Talk-Attitüde, stolzer Familienvater und Italo-Herzblutträger („Espresso vor Deals, Pasta nach Deals“).