Wenn KI wirbt: Was wirklich wirkt:
Kantar & Affectiva zeigen, wie Menschen auf KI-generierte Werbung reagieren
Die neue Studie von Kantar und Affectiva zeigt, warum viele KI-Spots technisch brillant, aber emotional leer bleiben. Marken, die auf maschinelle Kreativität setzen, müssen lernen, sie zu steuern: mit Strategie, Storytelling und Empathie. Denn echte Wirkung entsteht nicht im Prompt, sondern im Verständnis für Menschen.

Foto: KI Generiert Max Anzile
Die Kreativbranche erlebt gerade eine ihrer spannendsten Phasen seit der Einführung digitaler Postproduktion. Künstliche Intelligenz verändert, wie Kampagnen entstehen – von der ersten Idee bis zum finalen Spot. Doch wie reagieren Konsument:innen tatsächlich auf KI-generierte Werbung? Diese Frage steht im Zentrum der neuen Studie von Kantar und Affectiva, die Werbewirkung, Emotionen und Akzeptanz von GenAI Ads erstmals systematisch untersucht hat.
Das Ergebnis: Zwischen Begeisterung in der Branche und Skepsis im Publikum klafft eine deutliche Lücke.
Zwei Lager – zwei Realitäten
Laut Kantar’s Media Reactions 2024 zeigen sich 68 % der Marketer positiv gegenüber GenAI, 59 % sind sogar „aufgeregt“ über ihren Einsatz in der Werbung. Doch nur 29 % empfinden KI-Spots als störend – während es bei Konsument:innen 41 % sind.
Das zeigt: Die Branche blickt fasziniert nach vorn, während das Publikum noch tastet, zögert, zweifelt.
Die Studie basiert auf 356 getesteten Werbefilmen weltweit (August 2024 – April 2025). Davon enthielten 245 „sichtbare“ KI-Elemente (z. B. generierte Figuren oder Szenen), 111 nutzten KI unsichtbar – etwa zur Ideenfindung oder Bildanpassung. Nur 4 % aller getesteten Kampagnen in Kantars LINK-Datenbank enthielten bislang explizit GenAI-Anteile. Das zeigt: Der Einsatz wächst – aber vorsichtig.
KI erzeugt Extreme – Top 10 oder Flop 10
Spannend: KI-Ads schneiden nicht pauschal besser oder schlechter ab, sondern polarisieren.
Laut LINK-Impact-Scores landen 15 % der KI-Ads im Top-10 % der effektivsten Kampagnen – aber 13 % auch im unteren Zehntel. GenAI verstärkt Extreme: Sie ermöglicht spektakuläre Ideen, birgt aber ebenso Risiken für Markenbindung und Authentizität.
Im Durchschnitt liegen KI-Spots 13 Prozentpunkte unter klassischen Ads bei der Markenbindung (Branding Score). Der Spaßfaktor (Enjoyment) bleibt nahezu identisch, was zeigt: KI kann unterhalten, aber sie verankert Marken weniger zuverlässig.
Emotionen ja – aber oft negativ
Affectiva, spezialisiert auf KI-basiertes Facial Coding, analysierte die Gesichtsausdrücke der Zuschauer:innen frame-genau.
Das Ergebnis: KI-Spots lösen mehr Emotionen aus, aber diese sind häufiger negativ konnotiert. Statt Lächeln dominieren Stirnrunzeln, verwirrte Blicke oder Abwehrsignale. Das Phänomen: Viele reagieren auf das „Fast-Echte“ mit Unbehagen – das bekannte Uncanny-Valley-Syndrom.
Die Analyse zeigt auch: Je sichtbarer die KI, desto schlechter die Wirkung. „Unsichtbare“ KI – also Ads, bei denen Zuschauer:innen gar nicht erkennen, dass GenAI im Einsatz war – performen messbar besser in Enjoyment und Markenbindung.
Beispiele aus der Studie
1. Allegro (Polen)
Zwei Varianten desselben Skripts wurden getestet: einmal mit fotorealistischen KI-Gesichtern, einmal im grafischen Stil.
Ergebnis: Der realistische Spot landete im unteren 20 %-Perzentil für Markenwirkung, der stilisierte hingegen in den Top 25 %. Grund: Echte Gesichter aus der Maschine erzeugten Unbehagen – das Cartoon-Design wirkte ehrlicher und sympathischer.
2. „Pepperoni Hug Spot“
Ein viraler KI-Pizza-Ad sorgte 2024 für Lacher – allerdings unfreiwillig. Affectiva’s Mimik-Tracking zeigte: Viele Zuschauer:innen lachten über die KI, nicht mit ihr. Peaks in „Nasenrümpfen“ und „Lidverengung“ signalisierten Ekel statt Freude.
3. „Visit Denmark“
Ganz anders das Paradebeispiel aus Skandinavien: Hier schrieb KI das Skript, während Menschen Regie führten. Nur die sprechenden Gemälde waren synthetisch. Das Ergebnis: hohes positives Engagement, unabhängig davon, ob Zuschauer:innen den KI-Einsatz bemerkten oder nicht. Die Mischung aus menschlicher Idee und KI-Handwerk überzeugte.
Faszination vs. Verwirrung – was Konsument:innen wirklich stört
Die Studie benennt drei Hauptursachen für schlechte Performance:
- Visuelle Verwirrung – KI-Generationen erzeugen teils schwer unterscheidbare Gesichter (z. B. Mutter / Tochter / Großmutter gleich alt). Das Publikum braucht Orientierung – sonst entsteht kognitive Dissonanz.
- „Laughing at, not with“ – Humor kippt, wenn KI unbeabsichtigt lächerlich wirkt.
- Blandness – Wenn KI komplett übernimmt, entsteht Mittelmaß. Der Toys “R” Us-Ad zeigte fast keine emotionalen Reaktionen außer beim bekannten Giraffen-Maskottchen – KI füllte, aber berührte nicht.
Fünf Prinzipien für Marken, die KI ernst nehmen
- Strategie vor Technik: Jede Kampagne braucht eine emotionale und markenbezogene Leitidee.
- Marken-DNA integrieren: Farbwelten, Codes und Werte müssen im Prompting verankert sein.
- Human in the Loop: KI braucht Führung – von der Idee bis zur Ausspielung.
- Emotional testen: Nicht nur Klicks, sondern Mimik, Herzfrequenz, und Empathieindikatoren zählen.
- Stil schlägt Realismus: Grafik- oder Mischstile performen klar besser als pseudo-reale Menschen.
KI macht Werbung nicht besser – aber bewusster
Die Studie zeigt, wie sensibel das Gleichgewicht zwischen Technologie, Emotion und Marke ist.
KI kann Produktionen beschleunigen, kreative Vielfalt fördern und Ideen zugänglich machen. Doch sie ersetzt keine Strategie – und keine Intuition.
„AI-Ads, die wirken, entstehen dort, wo Menschen das Warum definieren und Maschinen das Wie umsetzen“, schreiben die Autor:innen der Studie.
In unserer täglichen Arbeit bei den AI Pirates sehen wir genau das bestätigt: Technische Exzellenz ist nur die halbe Miete.
Eine KI kann inzwischen ganze Werbespots generieren, Kamerafahrten planen und Gesichter stabil halten – aber sie weiß nicht, warum etwas berührt.
Wir nutzen KI als Co-Kreativpartner, nicht als Ersatz. Die Emotion, die Haltung, die Strategie – das bleibt menschlich.
Denn nur wer zuerst definiert, was er fühlen lassen will, kann KI sinnvoll führen.
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