
Mehr Open Web, mehr Datenschutz, mehr Auswahl bei digitaler Werbung:
Das neue Werbe-Ökosystem der Telekom: 7 Fragen, 7 Antworten
Mit "T Advertising Solutions" will die Deutsche Telekom das Open Web stärken und verlorene Kontrolle im digitalen Mediaeinkauf zurückbringen. Was das für Agenturen und Marken bedeutet – und wie realistisch das Ziel ist.

Foto: W&V/Jörg Heinrich
Die digitale Werbewelt steckt mitten im Umbruch. Datenschutzvorgaben werden strenger. Third-Party-Cookies verschwinden. KI verändert das Targeting. Die US-Giganten Meta, Google und Amazon dominieren mit ihren "Walled Gardens" die Budgets mit einem Anteil von zuletzt annähernd 75 Prozent.
Gleichzeitig wird das Open Web immer schwächer, die Fragmentierung nimmt zu – und viele Werbetreibende verlieren die Kontrolle über Daten, Platzierungen und Wirkung ihrer Kampagnen. Die Telekom sieht darin eine Chance, mit ihrem neuen, eigenen Werbe-Ökosystem T Advertising Solutions (TAS) das offene Internet zu stärken, eine Alternative zu den geschlossenen Plattformen zu bieten – und Werbemilliarden aus den USA nach Bonn umzuleiten.
"Make it more than just an ad", mach mehr als nur eine Anzeige daraus, heißt es im bunten Werbevideo für das neue Angebot. Und weiter: "In einer Werbewelt, die ständig neue Herausforderungen bringt, gibt es nur einen Weg zum Erfolg: das Infragestellen des Status quo. Genau das haben wir getan. Wir konzentrieren uns weniger auf Weniger – und mehr auf Mehr."
Das durchaus unbescheidene Ziel von T Advertising Solutions: "Mehr Qualität, mehr Einblicke, mehr Zugang, mehr Transparenz, mehr Vertrauen, mehr Wirkung." Kann das funktionieren? W&V beantwortet die sieben wichtigsten Fragen von Marketers zur neuen Werbeplattform.
1. Was bietet T Advertising Solutions konkret?
Das ist das neue programmatische Werbe-Ökosystem der Telekom. Die Plattform wird von der 100-Prozent-Tochter Emetriq betrieben und nutzt generative KI, um exklusive Telekom-Daten mit digitalen Werbeumfeldern und innovativen Methoden zur Zielgruppenansprache zu verbinden.
Ziel ist eine datenschutzkonforme, wirtschaftlich effiziente und präzise Ausspielung von Werbung – insbesondere im Open Web, im Connected TV und in den digitalen Angeboten der Telekom selbst.
Klassische Media-Agenturen will T Advertising Solutions nicht ersetzen. Die Plattform versteht sich vielmehr als Ergänzung und Werkzeug für Agenturen, um ihren Kunden mehr Transparenz, Kontrolle und Wirkung im Open Web zu bieten – von der Planung bis zur Ausspielung. Wie Business Punk resümiert, wird der Erfolg davon abhängen, "ob die Balance zwischen Datenschutz und Targeting-Präzision tatsächlich gelingt".
2. Was ist der Unterschied zu bisherigen Werbeplattformen?
Das System setzt laut der Verantwortlichen auf Privacy-First-Technologie, Telco-grade Data und ein Selfservice-Tool für Kampagnensteuerung. Die Plattform ermöglicht direkte Buchungswege und eine direkte Anbindung an Publisher.
"Digitale Werbung braucht einen Neustart. Heute liegen Daten, Inventar und Messung oft in den Händen weniger Plattformen. Marken verlieren so Kontrolle, Transparenz und Wirkung", sagt Stephan Jäckel, Geschäftsführer von Emetriq.
"Mit T Advertising Solutions stellen wir dem bewusst ein anderes Modell entgegen: ein offenes, datenschutzgetriebenes Ökosystem, das Werbung neu denkt – fair, wirksam und souverän."
3. Wie funktioniert das datenschutzkonforme Targeting?
Die Telekom verspricht, dass ihre Datengrundlage – anders als bei Meta oder Google – ausschließlich aus validen, nicht rückführbaren Netzdaten besteht. Im Zentrum steht die Data-Clean-Room-Technologie von Emetriq.
Alle Daten werden hochgradig anonymisiert und verarbeitet, ohne Rückschluss auf Einzelpersonen. Das erfüllt die Anforderungen der DSGVO und entsprechender deutscher Standards.
Generative KI erstellt dabei synthetische Nutzerdatenmodelle (Kohorten), die eine präzise Zielgruppenansprache ermöglichen, ohne personenbezogene Daten zu verarbeiten. Der "AI-powered Audience Builder" und kontextorientierte Analysen sollen auf Basis dieser anonymisierten Datensegmente besonders präzises Targeting ermöglichen – ohne die Möglichkeit einer Rückverfolgung.
4. Was bringt das neue Ökosystem Marken und Agenturen?
TAS wird als offene Selfservice-Plattform angeboten, die sich direkt an Marken und Mediaagenturen richtet. Sie erhalten Zugang zu Telekom-Insights und können Zielgruppen präzise ansprechen. Das soll laut Telekom bis zu 20 Prozent Effizienzgewinn bringen – ohne versteckte Gebühren oder Blackboxen im Mediaeinkauf.
Über das zentrale Interface (bereitgestellt von The Trade Desk) können Werbetreibende ihre Kampagnen eigenständig planen, aussteuern und in Echtzeit analysieren. "Wer Verantwortung für Budgeteffizienz und Datenhoheit übernehmen will, findet hier eine echte Alternative zu den gängigen Plattformmodellen", heißt es vom Anbieter.
Auf der Inventarseite hat die Telekom nach eigenen Angaben bereits Verträge mit zwölf großen Vermarktern geschlossen – darunter namhafte deutsche und europäische Medienanbieter wie ProSieben, Bertelsmann, Springer oder Handelsblatt Digital. Indem TAS Werbebudgets direkt an diese Partner leitet, sollen komplizierte Lieferketten verkürzt und Qualitätsmedien gestärkt werden.
5. Wie positioniert sich die Telekom im Vergleich zu Meta, Google und Amazon?
Der Magenta-Konzern will eine europäische, unabhängige Alternative zu den US-Giganten schaffen. Während Meta, Google und Amazon das Open Web drastisch schwächen, setzt T Advertising Solutions auf offene Standards, Transparenz und direkte Buchungswege.
"Damit geht die Telekom einen entscheidenden Schritt zur Stabilisierung des Open Internets. Wir übernehmen Verantwortung für ein offenes und transparentes Werbeumfeld, in dem Datenschutz als Innovationstreiber genutzt wird", sagt Daniel Fazelzad, Vice President Digital Advertising bei der Telekom.
6. Auf welchen Plattformen und Websites wird die Werbung ausgespielt?
T Advertising Solutions ermöglicht die Ausspielung von Werbung auf einem breit gefächerten Media-Netzwerk. Dazu zählen:
- Open Web: Werbung wird auf einer Vielzahl von reichweitenstarken Medien ausgespielt. Dazu gehören große Nachrichtenportale, Special-Interest-Seiten, Magazine und weitere digitale Angebote in Deutschland und Europa. Die Auswahl der Publisher ist nicht auf Telekom-eigene Seiten beschränkt, sondern umfasst das gesamte offene Internet.
- Connected TV (CTV): Die Plattform bietet Zugang zu Inventaren im Bereich Connected TV, also Werbung auf Smart-TVs, Streaming-Plattformen und Mediatheken. Hier können Werbetreibende ihre Spots im Umfeld von hochwertigen Bewegtbildinhalten platzieren – ein Wachstumsmarkt, der zunehmend an Bedeutung gewinnt.
- Digitale Angebote der Telekom: Auch das eigene Inventar der Telekom steht zur Verfügung, etwa die Portale t-online.de, MagentaTV, Telekom-Apps oder andere digitale Services des Konzerns.
- Kooperation mit The Trade Desk: Durch die Kooperation mit der Demand-Side-Plattform können Werbekunden zusätzlich auf ein globales Netzwerk von Premium-Inventaren zugreifen.
Das neue Angebot setzt dabei auf direkte Anbindungen und transparente Buchungswege, so dass Werbegelder möglichst ohne Umwege bei den Publishern ankommen sollen.
7. Gibt es einen Interessenkonflikt, wenn die Telekom selbst als Werbeanbieter auftritt?
Das Thema wird in der Branche kontrovers diskutiert. Dass die Deutsche Telekom gleichzeitig Netzbetreiber, Werbeanbieter und Werbevermarkter ist, wirft naturgemäß Fragen nach einer möglichen Bevorzugung eigener Dienste auf.
Die Verantwortlichen betonen jedoch, dass T Advertising Solutions ein offenes, kollaboratives Ökosystem sei, das allen Marktteilnehmern zugänglich ist. So erklärt Daniel Fazelzad, man sei sich "der besonderen Verantwortung unserer Doppelrolle bewusst" und handele "entsprechend umsichtig". Ob das dann für alle Marktteilnehmer glaubwürdig ist, bleibt abzuwarten.
Ob die neue Plattform die Erwartungen erfüllt, wird erst die Marktpraxis zeigen. Doch selbst Skeptiker attestieren: Durch TAS wird die Debatte über die Zukunft von Werbung im offenen Internet sichtbar vorangetrieben – und Agenturen gewinnen eine zusätzliche Option neben den gewohnten US-Plattformen.
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