
Hörtipp der Woche:
Liechtenstein spaziert durch seine Kindheit in Stalinstadt
Der Künstler Friedrich Liechtenstein hat seiner Heimatstadt schon lange den Rücken gekehrt, für einen Podcast des RBB kommt er zurück. Er mischt biografische Anekdoten mit philosophischen Gedanken.

Foto: rbb/Jennifer Endom
In dieser Stadt lassen sich die Visionen und Utopien von gestern besichtigen. In den 50er Jahren entstand in der brandenburgischen Provinz rund um das Stahlwerk eine neue Stadt, die erste sozialistische Stadt. Aus der ganzen DDR zogen die Menschen hierher. Damals trug sie den Namen Stalinstadt, heute heißt sie Eisenhüttenstadt.
Hier ist Friedrich Liechtenstein groß geworden, bekannt als Performance-Künstler und Werbegesicht, etwa für Play-doh, Ahoj-Brause oder für Edeka.
Ein Doku-Podcast des Rundfunks Berlin-Brandenburg begleitet Liechtenstein und die Fotografin Jennifer Endom in die alte Heimat. Dabei geht es nicht nur um die Vergangenheit, sondern auch darum, wie die Zukunft der großteils unter Denkmalschutz stehenden Stadt, die extrem mit dem Bevölkerungsschwund zu kämpfen hat, aussehen könnte.
Die fünf Folgen, alle knapp 30 Minuten lang, halten sich nicht allein mit Biografischem auf, sondern stellen Fragen wie: Wie wollen wir leben? Welche Macht haben Ideologien? Und was brauchen wir, um glücklich zu sein?
So kommt etwa eine der damaligen Stadtplanerinnen zu Wort, aus deren Stimme heute noch die Aufbruchstimmung zu hören ist. Sie erläutert das damals revolutionäre Vorhaben, dass alles Wichtige fußläufig zu erreichen ist - zu jedem der "Wohnkomplexe" gehörten Kinderbetreuung, Schule, Einkauf und Kultur. Eine Idee, die auch jetzt wieder Anhänger findet - um die Autoflut aus den Städten zu bannen.
Fotos des aktuellen Shootings werden auf der begleitenden Mikrosite durch historische Aufnahmen ergänzt.
Liechtenstein wird nicht nur sehr persönlich, etwa wenn er von seinen Eltern erzählt, sondern schildert, wie diese Umgebung auf ihn als Kind gewirkt und wie sie sein Denken geprägt hat. Original-Tondokumente und Gespräche mit alten und neuen Einheimischen ergänzen Liechtensteins Ausführungen.
Erstaunlich sind dabei die Brücken, die Liechtenstein schlägt, gerade wenn es um die Veränderungen seit 1989 geht. Etwa wenn er Parallelen zum glamourösen Kurort Bad Gastein zieht, der auch mit Leerstand zu kämpfen hat. Oder wenn er Verbindendes in den künstlerischen Wandbildern entdeckt.
In Stalinstadt entstand übrigens die erste Selbstbedienungskaufhalle der DDR. Momentan steht das Gebäude mit seinen mehr als 300 Quadratmetern leer. Es gehört dem Berliner Verleger Holger Friedrich, dem die "Berliner Zeitung" gehört. An der Wiederauferstehung wird schon fleißig gewerkelt. Dazu ist Martin Maleschka nach rund 20 Jahren wieder in seine Heimatstadt gekommen.
Damit aus der glorreichen Vergangenheit auch wieder eine lebenswerte Zukunft wird.