Krieg in der Ukraine:
Volkswagen zieht sich aus Russland zurück
Die Zahl der Unternehmen, die ihr Russland-Geschäft auf Eis legen, steigt. Jetzt hat sich auch der deutsche Autobauer Volkswagen zu diesem Schritt entschlossen. Ebenso wie das schwedische Möbelhaus Ikea.
Zuerst war die News bei LinkedIn zu lesen, wo sie CEO Herbert Diess verbreitet hat: Volkswagen stoppt nicht nur die Fahrzeugproduktion in Russland, sondern auch den Export von Fahrzeugen. VW hat zwei Produktionsstandorte in Kaluga und Nischni Nowgorod. Die Beschäftigten können jedoch mit einem finanziellen Ausgleich rechnen, so VW via LinkedIn.
Volkswagen hoffe weiterhin auf eine Einstellung der Kampfhandlungen und eine Rückkehr zur Diplomatie. "Mit der weitgehenden Unterbrechung der Geschäftstätigkeit in Russland zieht der Konzernvorstand die Konsequenzen aus der von starker Unsicherheit und den aktuellen Verwerfungen geprägten Gesamtsituation", teilte das Unternehmen weiter mit. Eine Lösung sei nur auf der Basis des internationalen Rechts möglich.
Auch Ikea stellt bis auf Weiteres seinen Betrieb in Russland ein. Dasselbe gilt für die Geschäfte in Belarus, wie am Donnerstag aus einer Konzernmitteilung des schwedischen Möbelriesen hervorging. Betroffen von dem Entschluss sind demnach 15.000 Ikea-Angestellte.
Der Ukraine-Krieg habe bereits enorme menschliche Auswirkungen gehabt, zugleich führe er zu ernsthaften Störungen der Lieferketten und Handelsbedingungen, erklärte Ikea. Aus all diesen Gründen hätten die Unternehmensgruppen beschlossen, den Ikea-Betrieb in Russland vorübergehend einzustellen.
Der Schritt bedeutet, dass alle Ex- und Importe in und nach Russland und Belarus vorübergehend gestoppt werden. Dasselbe gilt für die Produktion in Russland. Er beinhaltet auch, dass der gesamte Verkauf in Ikea-Möbelhäusern und -Geschäften in Russland und Belarus gestoppt wird. Einkaufszentren in Russland, die unter dem Markennamen Mega betrieben werden, bleiben dagegen offen. Dies soll laut Ikea sicherstellen, dass viele Menschen in Russland Zugang zu Lebensmitteln und Medikamenten haben.
Weitere Auswirkungen auf deutsche Unternehmen
Die Folgen des Ukraine-Kriegs treffen auch die deutsche Wirtschaft immer härter. Wirtschaftsverbände erwarten zunehmende Störungen von Lieferketten. In der Autoindustrie gibt es bereits Produktionsstopps, weil wichtige Teile aus der Ukraine fehlen. Deutsche Hersteller stoppen ihre Fertigung in Russland. Dazu kommt, dass es bei Rohstoffen aus Russland zu einer Knappheit kommen könnte. Außerdem belasten steigende Energiepreise auch die Unternehmen.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) kappte am Donnerstag seine Exportprognose für dieses Jahr - einer Rezession in Deutschland erwartet der DIHK aber nicht. Außenwirtschaftschef Volker Treier sagte angesichts des Kriegs, es falle nicht leicht, die richtigen Worte zu finden und über die Wirtschaft zu reden. Die Gedanken seien bei den vielen notleidenden Menschen in der Ukraine.
Treier machte deutlich, die wirtschaftlichen Folgen seien noch gar nicht richtig abzusehen. Das bisher prognostizierte deutsche Exportwachstum von sechs Prozent für 2022 aber sei nicht mehr zu schaffen. Bereits vor dem Krieg habe es weltweite Lieferprobleme und Engpässe gegeben, die durch die jetzigen Ereignisse noch einmal verstärkt worden seien.
Wegen des Kriegs kommt es auch zu Produktionsunterbrechungen in deutschen Autowerken, weil wichtige Teile von Zulieferern in der Ukraine fehlen. Alexander Markus, Vorstandsvorsitzender der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer, sagte, er persönlich rechne damit, dass es noch weitere Unterbrechungen der Lieferketten geben werde.
Markus schilderte eindrücklich die Lage in der Ukraine. Er sei in Berlin, nachdem das Auswärtige Amt alle Deutschen aufgefordert habe, das Land zu verlassen. Die Sorgen um Mitarbeiter seien sehr groß, er habe täglich Kontakt. Sie gingen nachts in Keller und stellten sich morgens oder tagsüber in die Schlange, um Essen zu kaufen oder Medikamente. Die Kammer arbeite trotzdem weiter.
In der vergangenen Woche, als der Krieg schon lief, hätten immer noch einige Unternehmen produziert, sagte Markus. Er vermute, es seien aber immer weniger Firmen, die produzierten. "In der Regel fahren sie dann die Produktion runter, frieren ihre Unternehmen ein. Da ist dann nur noch der Wachschutz, der die Unternehmen beschützt."
Der Blick des DIHK ging außerdem nach Russland - Wirtschaftsverbände hatten den russischen Angriffskrieg scharf verurteilt. Im vergangenen Jahr war das deutsche Handelsvolumen mit Russland um über 34 Prozent auf knapp 60 Milliarden Euro gestiegen. Das Handelsvolumen dürfte in diesem Jahr einbrechen, machte Treier klar. Die Wirtschaft unterstütze die umfangreichen westlichen Sanktionen gegen Russland.
Diese kämen einem "Vollembargo" gleich. Rund 250.000 Stellen bei Unternehmen in Deutschland hingen von Exporten nach Russland ab.
Immer mehr Firmen liefern nicht mehr nach Russland oder stellen Verkäufe dort ein. Neben Volkswagen hat auch Mercedes-Benz seine Exporte nach Russland sowie die Fertigung dort eingestellt.
In Deutschland führen die Kriegshandlungen Russlands dazu, dass es zu Produktionsstopps in Autofabriken etwa von BMW und VW kommt. Der Grund: die Produktion in Zulieferbetrieben in der Ukraine ist ausgefallen, deswegen fehlen Kabelbäume.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) rechnet außerdem mit einer Knappheit und einem Preisanstieg bei Rohmaterialien. Dies betreffe vor allem die Rohstoffe Neongas, Palladium und Nickel. Bei Neongas sei die Ukraine einer wichtigsten Lieferanten. "Wir erwarten Auswirkungen auf die europäische Halbleiterproduktion, da Chips bereits jetzt Mangelware sind», so der VDA. Zum anderen könnte Palladium aus Russland für Katalysatoren fehlen. Ein wichtiger Rohstoff zur Produktion von Lithium-Ionen-Batterien sei Nickel, Russland ein wichtiges Förderland für Nickelerz: "Damit ist dieser Rohstoff unersetzbar für den Hochlauf der Elektromobilität."
DIHK-Außenwirtschaftschef Treier sagte, Deutschland befinde sich einer "Phase der Stagflation" - das beschreibt eine wirtschaftliche Situation, in der hohe Preissteigerungen und ausbleibendes Wirtschaftswachstum gleichzeitig auftreten.
Der Lufthansa-Konzern stimmte seine Kunden am Donnerstag auf steigende Ticketpreise ein. Wichtige Treiber seien der Ölpreis sowie steigende Gebühren an Flughäfen und bei den Flugsicherungen, sagte Finanzvorstand Remco Steenbergen in Frankfurt. Man rechne aber damit, dass Konkurrenten stärker getroffen würden als die Lufthansa.
am/mit dpa