
TV-Wahlwerbespot:
Vereinter Aufbruch: Das will der grüne Wahlkampfspot
Wie passen deutsches Liedgut und die Grünen zusammen? Das testet die Partei, indem sie "Kein schöner Land" umdichtet und viel Platz für Heimatverbundene bietet - sowie für Habeck neben Baerbock.

Foto: Die Grünen
Noch vor wenigen Wochen hatte Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer der Grünen, eine stärkere Personalisierung zugunsten der Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock angekündigt. Denn bei den Wahlplakaten sticht sie nicht besonders heraus. Offensichtlich hat das Wahlkampfteam diese Idee doch nicht in die Tat umgesetzt. Im aktuellen Wahlwerbespot ist Baerbock am Ende Seite an Seite mit Robert Habeck zu sehen.
Damit bleibt die Grünen-Frontfrau dem Stil treu, den sie schon bei der Kür zur Kanzlerkandidatin in ihrem allerersten Spot zeigte: Miteinander das Land verändern und dabei als Partei einmütig zusammenstehen.
Am prägnantesten ist jedoch die Musik, die den Film begleitet. Das deutsche Volkslied "Kein schöner Land" wurde umgedichtet und wird von einer Vielzahl von Personen vorgetragen. Neben jugendlichen Klimaktivist:innen sind darunter etwa auch eine bunte Fußballmannschaft, aber auch "Normalos" wie ein Busfahrer, ein Altenpfleger und eine Freundesgruppe, die grillt - und zwar Fleisch.
Hinter der Kampagne steckt die Agentur Neues Tor 1, die sich extra zu diesem Zweck in Berlin gegründet hat. Kurt Georg Dieckert und Matthias Riegel sind die Masterminds. Als Wahlkampfbudget haben sie mehr als zehn Millionen Euro zur Verfügung.
Das ist der Wahlwerbespot der Grünen (90 Sek):
Die etwas kürzere und andere Twitter-Version (60 Sek):
In den vergangenen Tagen haben auch die anderen Parteien ihre Wahlwerbespots für den Countdown zur Wahl vorgestellt. Nachdem sich viele Wähler:innen für die Briefwahl entscheiden werden und ihre Stimme damit schon in den nächsten Wochen abgeben, ist es wichtig, ihnen die wichtigsten Botschaften jetzt nahezubringen: bei der FDP ist das vor allem Parteichef Christian Lindner, bei der CDU Armin Laschet als Kohlekumpel und bei der SPD Olaf Scholz als Matroschka.
Geteiltes Echo im Netz
Wie bereits nach der Veröffentlichung der Spots der anderen Parteien explodiert auch diesmal wieder das Netz. Die Grünen bekommen reichlich Spott auf Twitter ab. "Hitverdächtig", kommentierte ein Nutzer ironisch unter den einminütigen Clip. "Ganz ehrlich Leute, wer hat das denn verbrochen?" Die Darbietung des umgeschriebenen Liedtextes fällt hier und da reichlich schief aus. Eine andere Nutzerin meinte: "Ich vermute mal, hier hat man extra schlechte Sänger ausgewählt, um die Herzen der potenziellen Wähler vor Rührung zerfließen zu lassen: Oh, der singt genauso schlecht wie ich! Das ist ja ein ECHTER Mensch!"
Im Fernsehen soll der Clip erstmals am Dienstagabend im Ersten laufen. Agentur und Partei setzten dabei "auf mehr als 20 Unterstützerinnen und Unterstützer" anstelle von professionellen Sängern und Sängerinnen, so die Grünen. Demnach singen sie zuhause oder am Arbeitsplatz einzelne Zeilen des umgeschriebenen Liedtextes.
Auch prominente Stimmen meldeten sich zu Wort: "Vielleicht WOLLEN die Grünen gar nicht gewählt werden?!", stellte der Satiriker Jan Böhmermann auf Twitter fest. Die Autorin Sophie Passmann fragte unter dem Spot: "Ist der Song schon auf Spotify"?
Doch es gab auch Zuspruch: "Schöner Spot. Echte Menschen. Hat man sonst vor künstlicher Perfektheit selten. (Und wem das nicht gefällt, der kann ja bei Retortenmusik, Autotune und Photoshop bleiben.)", kommentiere jemand anderes.
Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, erklärte: "Wir wollen einen Aufbruch für dieses Land und wir wollen aus den ausgetretenen Pfaden der politischen Kommunikation austreten, das zeigt auch unser Clip. Wir wollen Dinge anders machen." Der Spot richte sich an die Breite der Gesellschaft.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Grünen sich traditionellen deutschen Liedguts bedienen. 2018 starteten die Parteichefs Habeck und Baerbock auf eine Sommerreise, die unter dem Motto "Des Glückes Unterpfand" stand, einer Zeile aus der Nationalhymne.